Die allgemeine Lösung aller Regelkreise aus dem letzten Kapitel kann für jeden konkreten Regelkreis herangezogen werden. Dafür müssen Sie nur für den allgemeinen Parameter A das Produkt der Übertragungsfunktionen von Regler, Aktor und Strecke ersetzen. Wir verwenden weiterhin nur Blöcke mit P-Verhalten. Es gilt am allgemeinen Regelkreis:
Beispiel Drehzahlregelung
Eine Werkzeugmaschine soll am Ausgang einen Bohrer mit der Drehzahl 100 rpm drehen. Die Maschine besteht aus einem Motor und einem Getriebe. Es ist in folgenden Regelkreis eingebunden:
Betrachten wir zunächst die Übertragungsfunktionen der Funktionsblöcke. Diese stehen z. B. auf den Typenschildern der Komponenten. Wir können diese alternativ mit einer Sprungantwort ermitteln. Dafür müssen wir die Komponenten einzeln vermessen, ohne dass sie im Regelkreis verbaut sind.
Wie auch immer wir die Übertragungsfunktionen ermittelt haben, wir nutzen Sie jetzt zur Reglerauslegung. Den Regler setzen wir zunächst auf HR = 1 V/rpm, den optimieren wir später. Es gilt also für A am speziellen Regelkreis:
Hinweis: Weil w und y immer die gleichen Einheiten haben, ist A immer einheitenlos.
Die Regelung ist mit A = 10 ziemlich schlecht, denn die Regelabweichung e beträgt 9%. Wenn wir einen Drehzahlwunsch von N2,soll = 1000 rpm ansetzen, dreht die Ausgangsachse nur mit 910 rpm. Bisher haben wir den Regler noch nicht optimiert. Wir können z. B. den Wert des Reglers auf 100 V/rpm setzen, damit erhöhen wir A auf 1000. Dann gilt:
Die Regelabweichung beträgt jetzt nur noch 0,1% des Sollwerts. Die Ausgangsachse dreht jetzt mit 999 rpm, wenn wir 1000 rpm als Wunsch vorgeben. Das ist schon deutlich besser. Mit dem Regler optimieren wir das A so, wie wir es brauchen.
Was soll das? Wofür ist das gut?
Vielleicht fragen Sie sich an dieser Stelle, wozu das alles gut ist ;-). Warum verwenden wir so etwas kompliziertes wie einen Regelkreis, nur damit am Ausgang eine Drehzahl richtig eingestellt ist? Dafür gibt es drei gute Gründe:
1. Störungen betrachten wir erst viel später im Tutorial. Hier ein Vorgriff: Egal welche Störungen im System auftreten, dieser Regelkreis hält die Drehzahl am Ausgang immer auf dem Sollwert, ganz egal was passiert.
2. Der Regelkreis tut das autonom, ohne dass irgendjemand von außen eingreifen muss. Die lassen die Werkzeugmaschine alleine, und sie dreht immer weiter mit der Solldrehzahl. Wenn ein Werkstück bearbeitet werden soll, dann wird die Maschine gebremst. Der Regelkreis sorgt dafür, dass dies (im Idealfall) keinen Einfluss auf die Drehzahl hat.
3. Für eine Regelung müssen wir den inneren Aufbau und die innere Mathematik eines Systems nicht verstehen. Schauen Sie dazu ruhig nochmal in die Eingangskapitel zum Unterschied zwischen Steuerung und Regelung.
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